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Männerfreundschaften als Schlüssel für die Evolution komplexer Sozialsysteme

Studie des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) zeigt Toleranz und kooperative Bindungen zwischen männlichen Guineapavianen
Männliche Guineapaviane (Papio papio) bei der sozialen Fellpflege (Grooming). Foto: Julia Fischer
Eine Gruppe Guineapaviane (Papio papio), aufgenommen an der DPZ-Feldstation Simenti im Senegal. Foto: Matthias Klapproth
Eine Gruppe Guineapaviane (Papio papio), aufgenommen an der DPZ-Feldstation Simenti im Senegal. Foto: Matthias Klapproth
Männliche Guineapaviane (Papio papio) gehen enge Bindungen zu ihren Geschlechtsgenossen ein, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Foto: Julia Fischer
Männliche Guineapaviane (Papio papio) gehen enge Bindungen zu ihren Geschlechtsgenossen ein, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Foto: Julia Fischer

Konkurrenzkämpfe, Drohgebärden, bestenfalls gegenseitiges Ignorieren: So oder ähnlich werden die Beziehungen zwischen männlichen Säugetieren meist beschrieben. Ganz anders die Situation beim Menschen, hier sind ausgeprägte Kooperationen und enge Bindungen auch zwischen nicht verwandten Männern weit verbreitet. Vom gemeinsamen Hüttenbau bis zu den berühmt-berüchtigten Seilschaften der Dax-Vorstände gibt es unzählige Beispiele dafür, dass Freundschaften unter Männern entscheidende Vorteile mit sich bringen und eine Voraussetzung für das Gelingen der komplexen menschlichen Gesellschaften sind. Julia Fischer und ihre Kollegen vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen haben in ihrer jetzt veröffentlichten Studie herausgefunden, dass sich männliche Guineapaviane tolerant und kooperativ gegenüber ihren gleichgeschlechtlichen Artgenossen verhalten, auch wenn sie mit diesen nicht verwandt sind. Auf diese Weise tragen die Männchen aktiv zum Zusammenhalt der mehrschichtigen Pavian-Gesellschaft bei. Guineapaviane sind somit ein ideales Beispiel, um die soziale Evolution des Menschen zu verstehen (Patzelt et al., 2014, PNAS).

Im Rahmen der Feldstudie, die an der DPZ-Forschungsstation Simenti im Senegal durchgeführt wurde, konnte eine Population von Guineapavianen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die soziale Organisation der Guineapaviane drei Ebenen umfasst. Die kleinste und gleichzeitig zentrale Einheit der Gesellschaft bilden sogenannte Parties, die drei bis vier Männchen sowie ihre jeweils ein bis fünf assoziierten Weibchen und deren Jungtiere umfasst. Innerhalb der Parties kommt es zu den engsten sozialen Bindungen zwischen Männchen. Die nächsthöhere Ebene ist die Gang, die aus zwei bis drei Parties besteht. Auch innerhalb der Gang konnten soziale Interaktionen zwischen den männlichen Tieren beobachtet werden. Die dritte Ebene umfasst alle Tiere, die sich ein Streifgebiet teilen und wird als Community bezeichnet.

„Der Verwandtschaftsgrad hat die sozialen Interaktionen nicht beeinflusst, die Männchen gingen enge kooperative Verbindungen sowohl mit verwandten als auch nicht-verwandten Artgenossen ein", sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum. Darüber hinaus zeigten die männlichen Guineapaviane sehr viel weniger rivalisierendes Verhalten untereinander sowie weniger Aggression gegenüber Weibchen als beispielsweise Bärenpaviane. Dementsprechend sind auch äußere Merkmale, die mit intrasexueller Konkurrenz in Verbindung gebracht werden, wie beispielsweise die Größe der Eckzähne oder der Hoden, bei Guineapavianmännchen im Vergleich zu anderen Arten reduziert.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine komplexe soziale Organisation mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Kooperationen unabhängig von den Verwandtschaftsbeziehungen einhergeht", so Julia Fischer. Auch Menschen leben in mehrschichtigen Sozialsystemen, deren kleinste Einheiten die Familien bilden. Innerhalb der traditionellen Gesellschaften gehen männliche Individuen unabhängig vom Verwandtschaftsgrad starke kooperative Beziehungen untereinander ein. Das Auftreten dieser Bindungen wird mit der evolutionären Entwicklung mehrschichtiger Gesellschaften in Verbindung gebracht. „Nicht-menschliche Primaten, die ebenfalls in komplexen Gemeinschaften leben, sind daher wichtige Modelle um unsere soziale Evolution zu verstehen", sagt Julia Fischer.

In zukünftigen Studien wollen die Forscher untersuchen, welche Rolle die Weibchen bei den Männerfreundschaften spielen. Vielleicht bevorzugen sie bei der Partnerwahl gut vernetzte Männchen und tragen damit dazu bei, dass die Männerfreundschaften immer intensiver werden.


Originalveröffentlichung
Patzelt A et al. (2014): Male tolerance and male-male bonds in a multilevel primate society. PNAS, Published online before print, September 8, 2014. doi:10.1073/pnas.1405811111.