Informativer Toilettengang
Emily liebt Justin, Nazis raus, Gib AIDS keine Chance und schließlich Sanifair – Gute Reise: Informationsaustausch in öffentlichen Toiletten ist weit verbreitet. So auch bei den zu den Halbaffen gehörenden Weißfuß-Wieselmakis, die allerdings anstelle von beschriebenen Wänden Duftmarken nutzen, um sich ihren Artgenossen mitzuteilen. Iris Dröscher und Peter Kappeler vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) haben im Rahmen ihrer jetzt veröffentlichten Studie festgestellt, dass insbesondere der auf Latrinenbäumen abgegebene Urin dazu dient, Kontakt zu Familienmitgliedern zu halten und etwaigen Eindringlingen mitzuteilen, dass man seinen Partner verteidigen würde, falls jemand versuchen sollte, sich ihm zu nähern. Latrinen sind für nachtaktive Tiere, die zwar territorial sind, aber nicht im engen Kontakt zueinander leben, verlässliche Informationsquellen und dienen der sozialen Bindung der Tiere untereinander (Behavioral Ecology and Sociobiology, 2014).
Die Nutzung von Latrinen, also speziellen Orten zur Ausscheidung von Exkrementen, ist im Tierreich durchaus verbreitet. Da bislang jedoch unklar war, warum gerade Primaten dieselben Latrinen immer wieder benutzen, haben die DPZ-Wissenschaftler dieses Phänomen nun bei den Weißfuß-Wieselmakis (Lepilemur leucopus) in Süd-Madagaskar untersucht. Sind sie ein Hinweis an andere, dass dieses Gebiet oder dieser Partner verteidigt wird? Oder zeigen sie an, ob ein Weibchen fruchtbar ist? Dienen sie vielleicht dem Informationsaustausch und der sozialen Bindung innerhalb einer Gruppe? Um diese Fragen zu beantworten, haben die Forscher untersucht, wo genau sich die Latrinen befinden und ob diese zu verschiedenen Jahreszeiten oder von Individuen verschiedenen Alters und Geschlechts unterschiedlich genutzt werden. Dafür haben Iris Dröscher und Peter Kappeler 14 Weißfuß-Wieselmakis mit Radiosendern markiert und ihr Verhalten über den Zeitraum eines Jahres beobachtet. Insgesamt kamen dabei über 1000 Beobachtungsstunden zusammen.
Verbundenheit dank Latrine
Weißfuß-Wieselmakis sind nachtaktive Baumbewohner, die ausschließlich im Süden Madagaskars vorkommen und zu den sogenannten Lemuren gehören. Jede Familie, die aus den Eltern und ihrem Nachwuchs besteht, bewohnt zwar ein eigenes Gebiet, allerdings gehen sich die Familienmitglieder meist aus dem Weg, weder schlafen Wieselmaki-Paare auf denselben Bäumen noch gehen sie gemeinsam auf Futtersuche. Etwas hat die Familie aber gemeinsam: zentral im Territorium gelegene Latrinenbäume, welche die Tiere gezielt immer wieder aufsuchen um dort ihre Notdurft zu verrichten. Iris Dröscher und Peter Kappeler haben herausgefunden, dass die Latrinen dazu dienen, die Vertrautheit und die soziale Bindung zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Wieselmaki-Gruppe aufrecht zu erhalten, da diese sonst nur sehr wenig Kontakt zueinander haben. Die Duftsignale werden vor allem über den am Baumstamm befindlichen Urin aufgenommen, während der sich am Boden des Latrinenbereiches akkumulierende Kot nicht wesentlicher Bestandteil des Informationsaustausches ist.
Botschaft: Mein Weibchen wird verteidigt!
Auffällig war, dass männliche Tiere öfter die Latrinen aufsuchten, wenn sie einen Eindringling in ihrem Territorium wahrgenommen hatten. Außerdem setzten Männchen Duftmarken aus ihren spezialisierten Drüsen ausschließlich in Latrinen ab. „Die Latrinen werden also auch verwendet um anzuzeigen, dass hier jemand ist, der seine Partnerin verteidigt“, sagt Iris Dröscher, Doktorandin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum.
Latrinen als verlässliche Informationsquellen
„Über Duftmarken werden eine Vielzahl an Informationen wie die sexuelle und individuelle Identität transportiert und können außerdem dazu dienen, die eigene Präsenz zu signalisieren,“ so Dröscher. „Die Latrinen werden genutzt, um Individuen-spezifische Informationen auszutauschen.“
„Gerade nachtaktive Arten, die unter eingeschränkten Sichtverhältnissen und im losen Kontakt mit ihren Partnern leben, brauchen verlässliche Informationsquellen, um ihr Sozialgefüge aufrecht zu erhalten“, sagt Peter Kappeler, Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am DPZ und Professor an der Universität Göttingen. „Dieses Informationszentrum haben die Weißfuß-Wieselmakis in den Latrinenbäumen gefunden.“
Link zum Artikel: link.springer.com/article/10.1007/s00265-014-1810-z
Originalpublikation
Dröscher I, Kappeler PM (2014): Maintenance of familiarity and social bonding via communal latrine use in a solitary primate (Lepilemur leucopus). Behavioral Ecology and Sociobiology Epub ahead of print. doi:10.1007/s00265-014-1810-z