Vom Denken zum Handeln: Leibniz-Wissenschaftscampus in Göttingen eingerichtet
In Göttingen wird ein Leibniz-Wissenschaftscampus zum Thema „Kognition von Primaten“ entstehen. Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat am 28. November die Zusage für die notwendige Finanzierung gegeben: Jährlich 900.000 Euro erhält der Forschungsverbund für zunächst vier Jahre. Gründungsmitglieder sind das Deutsche Primatenzentrum (DPZ), die Georg-August-Universität Göttingen und das Bernstein Center for Computational Neuroscience (BCCN). In interdisziplinären Projekten wollen die Wissenschaftler die kognitiven Fähigkeiten von Affen und Menschen erforschen. Die intensive Zusammenarbeit soll ein dauerhaftes, internationales Kompetenznetzwerk in diesem Forschungsgebiet schaffen.
„Wir möchten mit dem Leibniz-Wissenschaftscampus eine Plattform für interdisziplinäre Forschungsarbeit in Göttingen einrichten“, sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ und Sprecherin des Wissenschaftscampus. „Wir wollen insbesondere die Zusammenarbeit innerhalb des Forschungsgebietes Primatenkognition stärken, Nachwuchswissenschaftler fördern und neue Projekte unterstützen.“
23 Göttinger Forscher aus den Bereichen Verhaltensbiologie, Neurowissenschaften und Psychologie haben bereits ihre Beteiligung zugesagt. Am 1. Januar 2015 geht es offiziell los. Geleitet wird der Wissenschaftscampus von einem Direktorium, das sich aus jeweils zwei Vertretern des DPZ und der Universität Göttingen und einem Vertreter des BCCN zusammensetzt. Neben Julia Fischer wird DPZ-Direktor Stefan Treue das Deutsche Primatenzentrum in diesem Leitungsgremium repräsentieren. Die Finanzierung übernehmen jeweils zu einem Drittel die Leibniz-Gemeinschaft, die Universität Göttingen und das DPZ.
Innerhalb fachübergreifender Projekte wollen die Wissenschaftler die kognitiven Fähigkeiten von menschlichen und nicht-menschlichen Primaten vergleichen. Es geht dabei sowohl um die komplexen Prozesse der Informationsaufnahme, -verarbeitung und deren Umsetzung in Handlungen als auch um die Kommunikation bei Affen und Menschen. „Dabei interessiert uns vor allem, welchen Einfluss soziale Beziehungen auf verschiedene Denkprozesse und daraus folgendes Verhalten haben“, erklärt Julia Fischer. „Die Bedeutung der sozialen Kognition ist deshalb einer unserer Themenschwerpunkte.“
Schwerpunktforschung und internationale Zusammenarbeit
In drei thematisch verwandten Clustern gehen die Wissenschaftler unterschiedlichen Fragestellungen nach: Wie werden verschiedene Informationsquellen verarbeitet und wie beeinflusst dies Entscheidungsprozesse? Welche Rolle spielt soziale Kognition bei der Kommunikation von Affen und Menschen? Was macht soziale Kognition so besonders?
Jedes Cluster wird von zwei Wissenschaftlern des DPZ und der Universität Göttingen koordiniert. Vom Deutschen Primatenzentrum übernehmen dies Hansjörg Scherberger, Leiter der Abteilung Neurobiologie, Claudia Fichtel, leitende Wissenschaftlerin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie sowie Igor Kagan, Nachwuchsgruppenleiter in der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften.
„Innerhalb des Wissenschaftscampus möchten wir auch die internationale Zusammenarbeit intensivieren“, sagt Julia Fischer. „Dafür wird es einen regelmäßigen Austausch durch Workshops und Kolloquien geben, aber auch Programme, die Besuche anderer Einrichtungen und Aufenthalte von Gastwissenschaftlern in Göttinger Forschungsinstituten ermöglichen.“
Eine Kooperation der besonderen Art ist mit dem Lichtenberg-Kolleg der Universität Göttingen geplant, einer Studiengemeinschaft geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen. Um den Dialog von Geistes- und Naturwissenschaften zu stärken, wird dort eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern etabliert, die sich mit philosophischen Aspekten der Kognitionsforschung beschäftigen und in regelmäßigen Seminaren ethische Fragen reflektieren.
„Die erfolgreiche Einwerbung der Mittel für unseren Wissenschaftscampus wäre ohne die seit Jahren bestehende hervorragende Zusammenarbeit von Universität und außeruniversitären Einrichtungen im Göttingen Campus nicht möglich gewesen“, fasst Stefan Treue zusammen. „Wir hoffen, dass wir damit Göttingen zu einem internationalen Leuchtturm im Bereich der Primatenkognitionsforschung ausbauen können.“
Das Kooperationsmodell Wissenschaftscampus
Das Modell Leibniz-Wissenschaftscampus ist eine Forschungsinitiative der Leibniz-Gemeinschaft und soll vor allem die Zusammenarbeit von außeruniversitären und universitären Forschungseinrichtungen an verschiedenen Wissenschaftsstandorten in Deutschland stärken. Die beteiligten Partner bearbeiten wissenschaftliche Fragestellungen zu klar definierten Themen und ergänzen sich dabei in ihren Kompetenzen und Perspektiven. Ziel der Wissenschaftscampi ist die Weiterentwicklung von Forschungsbereichen an den jeweiligen Standorten, die Stärkung der Forschungslandschaft und die Erhöhung der internationalen Sichtbarkeit. Der bundesweit erste Wissenschaftscampus wurde 2009 in Tübingen eingerichtet.