Science goes City – Informationen über Tierversuche
Tierversuche in der Forschung sind ein Thema, bei dem es oft weniger um Fakten als um emotional aufgeladene Meinungen geht. Dass dies so ist, liegt auch daran, dass sich Wissenschaftler*innen bei dem Thema oft zurückhaltend oder gar nicht äußern. Die wissenschaftlichen Einrichtungen am Göttingen Campus haben sich der Transparenz im Umgang mit Tierversuchen verpflichtet und den Aktionstag „Science goes City“ in Göttingen zum Anlass genommen, um an einem Stand am Gänseliesel über ihre Forschung mit Tieren zu berichten.
Da sich um das Thema Tierversuche einige Mythen ranken, ist es umso wichtiger, ins Gespräch zu kommen und darüber zu informieren. Bei „Sciences goes City“ klärte das DPZ gemeinsam mit anderen Instituten des Göttingen Campus zum Beispiel mit Hilfe einer Dialogwand auf. Auf dieser wurden gängige Fragen zum Thema Tierversuche aufgegriffen, wie zum Beispiel: Woher stammt das Versuchstier, wer kontrolliert Tierversuche und werden Kosmetikprodukte an Tieren getestet?
Kowser Khoshandam und Elias Kirchhof erkundigen sich an unserem Stand: „Ich dachte, es gäbe Kosmetik, die an Tieren getestet wird, weil immer mit ‚tierversuchsfrei‘ geworben wird“, sagt Khoshandam. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass auch heute noch in Deutschland und Europa Tierversuche durchgeführt werde, um Kosmetika zu testen. Dabei ist es in Deutschland seit 1986 gesetzlich verboten, dekorative Kosmetik an Tieren zu testen. Dazu gehören Schminke, Nagellack und vergleichbare Produkte. 1998 wurde dieses Verbot im Tierschutzgesetz auf pflegende Kosmetika wie Duschgel oder Cremes ausgeweitet. Einige Jahre später wurden dann EU-weite Verbote ausgesprochen, die unter anderem auch die Vermarktung an Tieren getesteter Kosmetika und die Nutzung von Daten aus Tierversuchen für Kosmetika verbieten. Khoshandam und Kirchhof haben sich mit dem aktuellen „Kompass Tierversuche“ ausgestattet, einem Heft der Informationsinitiative Tierversuche verstehen, um noch mehr über Tierversuche zu lernen. Wie etwa, in welchen Bereichen trotz Alternativmethoden noch nicht auf Tierversuche verzichtet werden kann.
Zum Beispiel auch in Forschungsbereichen des Göttingen Campus. Am Deutschen Primatenzentrum, am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, an der Universitätsmedizin Göttingen und an der Georg-August-Universität finden Tierversuche statt. Dort forschen Wissenschaftler*innen an drängenden biomedizinischen und agrarwissenschaftlichen Fragen, für deren Beantwortung Tierversuche einen kleinen, aber essenziellen Teil des Methodenspektrums darstellen. Dabei werden verschiedene Tierarten verwendet, zum Beispiel Rinder, Ziegen, Geflügel und Fische in den Agrarwissenschaften und Mäuse, Ratten und Weißbüschelaffen in der Hörforschung.
Dort ist es das Ziel der Forschenden, tauben Menschen ein möglichst natürliches Hören zu ermöglichen. Sie sind dabei, eine neuartige Hörprothese zu entwickeln, ein optisches Cochlea-Implantat, dessen Modell sie bei „Science goes City“ vorstellten. Das Implantat soll folgendermaßen funktionieren: Der auf das Ohr eintreffende Schall wird in Lichtimpulse umgewandelt, welche dann die Hörnervenzellen im Ohr stimulieren. Da Nervenzellen jedoch vorwiegend auf elektrische Impulse und nicht auf Licht reagieren, müssen die Hörnervenzellen im Ohr erst optogenetisch verändert werden, das heißt, es müssen „Lichtschalter“ eingebracht werden. Dies gelingt bereits bei Wüstenrennmäusen, ob es auch bei einer dem Menschen evolutionsbiologisch näherstehenden Art funktioniert, wird gerade an Weißbüschelaffen getestet. Sollte es klappen, wäre der Weg zur Behandlung von Patienten geebnet. Standbesucher Rainer Rehbein fand das direkte Gespräch mit den Forschenden bereichernd: „Sonst bekommt man Wissen über Tierversuche nur über Medien vermittelt, der direkt Kontakt mit den Forschenden war toll“. Durch Fernsehberichte hatte er bereits Vorwissen über das optische Cochlea Implantat. Er hofft, dass es mit der Forschung schneller vorrangeht, denn er sagt: „Je besser man hören kann, desto besser kann man sich oft in eine Gemeinschaft integrieren. Es ist wichtig, dass man mithören kann, damit man mitreden kann“.
Die Wissenschaftler*innen kamen mit vielen Menschen ins Gespräch, mit denen, die sonst keine Berührungspunkte mit Forschung haben, mit jungen Menschen, die vielleicht selbst einmal in der Forschung arbeiten möchten und auch mit Tierversuchsgegnern. Der zentrale Standort in der Göttinger Innenstadt war ideal, um möglichst viele Menschen zu erreichen.