Humboldt-Preisträgerin forscht für ein Jahr am DPZ
Alexandra M. Freund, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Zürich und Humboldt-Preisträgerin, wird ab dem 28. September 2015 am Deutschen Primatenzentrum forschen. Dazu wird sie das Institut über den Zeitraum eines Jahres regelmäßig zu mehrwöchigen Forschungsaufenthalten besuchen. Für den Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung wurde die Wissenschaftlerin im April dieses Jahres ausgewählt. Neben dem Preisgeld von 60.000 Euro ermöglicht die Auszeichnung ausländischen Wissenschaftlern, ein Forschungsvorhaben ihrer Wahl mit deutschen Fachkollegen durchzuführen. In der Abteilung Kognitive Ethologie des DPZ will Alexandra Freund nun gemeinsam mit der Verhaltensforscherin Julia Fischer die altersabhängige Ausprägung sozialer Beziehungen bei Affen untersuchen. Dazu gehört vor allem die Motivation der Tiere, während ihrer Entwicklung Ressourcen zu maximieren oder Verluste zu minimieren.
Alexandra Freund (50) beschäftigt sich mit Entwicklungsprozessen im Erwachsenenalter. Im Zentrum ihrer Forschung steht die Theorie, dass Menschen ihre Entwicklung aktiv durch die Auswahl und das Verfolgen von Zielen beeinflussen. Von kurzfristigen Vorhaben, wie beispielsweise eine wichtige Prüfung zu bestehen, bis hin zu langfristigen Planungen, wie dem Erwerb eines Eigenheims oder der Familiengründung, beeinflussen Ziele die menschliche Entwicklung. Sie organisieren das Verhalten über die Zeit und Situationen hinweg und geben unserem Leben damit eine Richtung und Bedeutung.
„Welche persönlichen Ziele man sich im Leben setzt und wie man sie verfolgt, ist abhängig von den zur Verfügung stehenden Ressourcen, die sich mit dem Alter verändern“, erklärt Alexandra Freund. „Dabei spielen vor allem zeitliche und gesundheitliche Komponenten eine Rolle. Menschen mit Anfang 20 sind körperlich leistungsfähiger, weniger ausgelastet und haben eine andere Zeitperspektive als ältere Menschen und daher andere Zielvorstellungen.“ Die primäre Orientierung der Ziele ändert sich also ressourcen- und damit altersabhängig von einer Gewinnmaximierung (junge Menschen) über die Aufrechterhaltung des bereits Erreichten (Menschen mittleren Alters) bis hin zur bloßen Vermeidung von Verlusten (alte Menschen). Damit einher geht häufig eine stärkere Fokussierung älterer Menschen auf ihre sozialen Bindungen, die bei jüngeren Menschen im Hinblick auf das Erreichen von Zielen eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Die Untersuchung ressourcenabhängiger Entwicklungsprozesse ist auch ein wichtiger Ansatz in der Verhaltensforschung. Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ, erforscht die evolutionäre Entwicklung des Sozialverhaltens von Affen. Freunds Expertise im Bereich Erwachsenenentwicklung und Altern beim Menschen soll zum Verständnis sozialer Interaktionen bei nicht-menschlichen Primaten aus einem psychologischen Blickwinkel beitragen. „Wir wollen untersuchen, ob Affen, ähnlich wie Menschen, zwischen dem Gewinn beim Erreichen eines Zieles und der Verlustminderung unterscheiden und ob dieses Verhalten altersabhängig ist“, sagt Julia Fischer. „Wenn Frau Freunds Beobachtungen beim Menschen auch auf Affen zutreffen, müssten ältere Tiere sich eher darauf konzentrieren, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erhalten, wie zum Beispiel den sozialen Status innerhalb der Gruppe. Das wirkt sich wiederrum auf die Auswahl der sozialen Partner aus.“
Um das zu untersuchen, werden die beiden Wissenschaftlerinnen im kommenden Jahr zunächst ein theoretisches Modell entwickeln auf dessen Basis zukünftig empirische Verhaltensstudien an Guinea-Pavianen an der DPZ-Freilandstation im Senegal und an Berberaffen im Affenpark „La Forêt de Singes“ in Rocamadour in Frankreich durchgeführt werden sollen. „Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Frau Fischer“, sagt Alexandra Freund. „Die Arbeit am DPZ ermöglicht es mir, meine psychologische Forschung zu altersabhängigen Entwicklungsprozessen um eine stärker evolutions- und verhaltensbiologische Perspektive zu erweitern.“
Zur Vita Alexandra Freund
Alexandra M. Freund ist seit 2005 als Psychologie-Professorin an der Universität Zürich tätig. Nach ihrer Promotion, die sie bei Prof. Paul Baltes am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin schrieb, arbeitete sie als Postdoktorandin an der Stanford University in Kalifornien. Anschließend leitete sie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ein Projekt zur erfolgreichen Entwicklung und wurde mit daraus entstandenen Arbeiten an der Freien Universität Berlin habilitiert. Danach trat sie eine Assistenz- gefolgt von einer Associate Professur an der Northwestern University, Evanston, Illinois, USA an und war Gastwissenschaftlerin an der University of Florida sowie der Columbia University in New York City. Seit 2008 ist Alexandra Freund Ko-Sprecherin der Internationalen Max Planck Research School on the Life Course (LIFE), einer Graduiertenschule zur lebenslangen Entwicklung.
Neben ihrer Forschungstätigkeit fungiert Alexandra Freund als Herausgeberin und Mitglied des Editorial Boards führender Zeitschriften der Psychologie und als Gutachterin für wichtige Förderorganisationen. Zudem war sie Gründungsmitglied der Jungen Akademie der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie der Akademie der Naturwissenschaftler Leopoldina.
Der Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung
Der Humboldt-Forschungspreis wird alljährlich an bis zu 100 ausländische und international erfolgreiche Wissenschaftler in Anerkennung ihrer bisherigen Forschungsleistungen verliehen. Die Auszeichnung ist mit 60.000 Euro dotiert und ermöglicht den Wissenschaftlern zusätzlich ein Forschungsvorhaben ihrer Wahl in Kooperation mit Fachkollegen in Deutschland durchzuführen. Daraus resultierende gemeinsame Publikationen sind erwünscht.