Verantwortungsvolle Tierversuche sind ein kleiner aber essentieller Bestandteil der biomedizinischen Grundlagenforschung. Um komplexe biologische Prozesse im menschlichen Organismus und seine Funktionsweise besser zu verstehen, sind sie noch immer unverzichtbar. Auch für toxikologische Sicherheitsprüfungen und die Medikamentenentwicklung sind sie unerlässlich. Am Deutschen Primatenzentrum setzen die Wissenschaftler*innen nicht-menschliche Primaten für Versuche ein, die besonders hohen ethischen Anforderungen genügen müssen. Wo es geht, verzichten die Forschenden auf Tierversuche und verwenden eine Vielzahl von Alternativ- und Ergänzungsmethoden. Warum sie für manche Fragen dennoch auf Tierversuche angewiesen sind, erklären sie hier.
Prof. Dr. med. Hansjörg Scherberger
Leiter der Abteilung Neurobiologie
"Wenn wir verstehen wollen, wie das Gehirn funktioniert, um damit Patienten mit neurologischen Erkrankungen helfen zu können, sind Tierversuche, auch mit Primaten, auf absehbare Zeit unverzichtbar. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Tieren ist dabei notwendig und möglich."
Prof. Dr. Rabea Hinkel
Leiterin der Abteilung Versuchstierkunde
"Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache, die Erforschung neuer Therapieoptionen ist daher dringend erforderlich. Aufgrund der Komplexität des Herz-Kreislauf-Systems gibt es zur Aufklärung der Krankheitsmechanismen keine Alternative zu Tiermodellen. Nur Tierversuche werden es uns erlauben die komplexen Zusammenhänge zu verstehen und daraus neue Therapieansätze zu entwickeln."
Dr. Michael Ortiz-Rios
Wissenschaftler in der Abteilung Funktionelle Bildgebung
“Translating optogenetics from rodent to non-human primate models is critical for the future therapeutical use of optogenetics in humans. Implementing the 3R’s principle in our research with primates has led us to reproducible, open, and high-quality science. I believe non-human primate research is needed now, more than ever, for the future of medicine, technology and the health of society at large”.
Lauren Cassidy
Promovierende in der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften
"Fundamental animal research often explores the fine-grained details, from neurons firing in the brain to the health benefits of friendships. These pieces of knowledge form basic building blocks that are essential for understanding the natural world and inspiring practical applications."
Dr. Zurna Ahmed
Wissenschaftlerin in der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften
„Ich möchte verstehen, wie Entscheidungen gefällt und wie die dazu notwendigen Aktionen im Gehirn geplant werden. Die dafür zugrunde liegenden physiologischen Abläufe sind höchst komplex, so dass Tierversuche derzeit die einzige Möglichkeit sind, um diese Vorgänge zu verstehen. Ich als Wissenschaftlerin habe mich dazu verpflichtet, dabei verantwortungsvoll und fürsorglich mit den mir anvertrauten Tieren umzugehen.“
Dr. Marcus Jeschke
Leiter der Forschungsgruppe Kognitives Hören in Primaten
"Eine Vielzahl von sensorischen Störungen, von denen Erblindung und Taubheit die häufigsten sind, kann bis heute nicht oder nicht ausreichend behandelt werden. Neueste Therapieansätze zielen hier auf die Entwicklung von passgenauen auch genetischen, biologischen Verfahren ab. Diese können auch in Zukunft nicht erst im Menschen auf Sicherheit und Funktionalität überprüft werden, so dass wir weiterhin nicht auf Tierversuche verzichten können."
Dr. Michael Heide
Leiter der Forschungsgruppe Gehirnentwicklung und -evolution
„Organoide bieten für einige spezielle Anwendungen eine gute Alternative für Tierversuche. Allerdings muss dafür bestätigt werden, dass Organoide die Gegebenheiten im Tier auch tatsächlich widerspiegeln. Sollte das nicht der Fall sein, sind Tierversuche auch weiterhin unerlässlich.“
Prof. Dr. Rüdiger Behr
Leiter der Forschungsplattform Degenerative Erkrankungen
"Als Stammzellforscher bin ich fasziniert von den Möglichkeiten, die Stammzellen nicht nur in der regenerativen Medizin, sondern auch als Ersatzmethode zu Tierversuchen versprechen. Als Reproduktions- und Entwicklungsbiologe sind mir aber auch die unglaublich komplexen, zeitlich und räumlich koordinierten, Interaktionen zwischen Zellen, Geweben und Organen in einem Gesamtorganismus sowohl während der Entwicklung als auch im erwachsenen Zustand bewusst. Auch nur ein einzelnes Organ außerhalb des Körpers nachzubauen ist bisher nicht möglich. Wenn wir also die normale und krankhafte Entwicklung von Organen und ganzen Organismen – einschließlich des Menschen - besser verstehen und daraus neue Therapien ableiten wollen, sind Untersuchungen an Tieren aus meiner Sicht unumgänglich."
PD Dr. Nadine Krüger
Leiterin der Forschungsplattform Infektionsmodelle
"Durch die SARS-CoV-2 Pandemie wurden uns vor Augen geführt, dass neue Infektionskrankheiten sich jederzeit ausbreiten und eine ernste Gefahr für die Gesundheit des Menschen darstellen können. Die zeitnahe Entwicklung und Testung von neuen Medikamenten und Impfstoffen spielen eine entscheidende Rolle in der Bekämpfung und Prävention von Infektionskrankheiten. Das Zusammenspiel zwischen Erreger und Wirt sowie die komplexe Immunantwort des Wirts auf eine Infektion oder Impfung können sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in Zellkultur- oder Alternativmodellen untersuchen lassen. Daher werden wir für spezifische Fragestellungen zur Ausbreitung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten zunächst weiterhin auf Tierversuche angewiesen sein."