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Primaten am DPZ

Tierexperimentelle Forschung mit nicht-menschlichen Primaten ist - wie alle Forschung mit Wirbeltieren - gesetzlich streng geregelt und im nationalen Tierschutzgesetz genau definiert. In der EU-Tierschutzrichtlinie, die dem deutschen Tierschutzgesetz zu Grunde liegt, werden einige Primatenarten explizit erwähnt. Einige von ihnen kommen auch am DPZ zum Einsatz. Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, welche Art von Versuchen mit welchen nichtmenschlichen Primatenarten am Deutschen Primatenzentrum zu welchen Zwecken gemacht werden, finden Sie hier Informationen zu den Arten und der jeweiligen Forschung (in der Liste rechts können Sie auch gleich zur jeweiligen Art springen).

Ein allgemeiner Hinweis vorweg: biomedizinische Forschung an Menschenaffen (Gorillas, Schimpansen, Bonobos, Orang-Utans und Gibbons) gibt es in ganz Europa seit 2002 nicht mehr und somit auch nicht am Deutschen Primatenzentrum. Am DPZ wurden auch in der Vergangenheit niemals Menschenaffen gehalten oder in der Forschung eingesetzt.

Rhesusaffe (Macaca mulatta)

Das Foto zeigt Rhesusaffen.
Rhesusaffen im Freigehege des DPZ. Foto: Säckl

Rhesusaffen (Macaca mulatta) sind eine Primatenart aus der Gattung der Makaken innerhalb der Familie der Meerkatzenverwandten (Cercopithecidae). Rhesusaffen stammen aus Asien und sind nicht vom Aussterben bedroht. Am DPZ leben 568 Tiere (31.12.2023) zum größten Teil in Zuchtgruppen. Nur sehr wenige von ihnen wechseln pro Jahr in die Forschung. In zwei Forschungsbereichen des DPZ kommen Rhesusaffen zum Einsatz: Sie sind geeignete Tiermodelle für die Infektionsforschung und für die Neurowissenschaft.

Infektionsforschung

In der Sektion Infektionsforschung werden Rhesusaffen zum Beispiel für Untersuchungen über Viren wie HIV, das Influenza-Virus und das Ebola-Virus eingesetzt. 

Im Bereich der Infektionsforschung ist es notwendig, wenn alle Alternativmethoden zur Überprüfung einer Forschungsfrage ausgereizt sind, den jeweiligen Ansatz zur Erforschung eines Virus oder Bakteriums am Tier zu testen, in dem eine geringe Anzahl Rhesusaffen infiziert wird. Die Tiere sind jederzeit unter tierärztlicher Betreuung und müssen nicht länger mit der Krankheit leben, als unbedingt notwendig. In der Regel steht am Ende des Versuchs die Einschläferung der Versuchstiere.

Die Infektion von Rhesusaffen mit dem Affen-Immundefizienz-Virus SIV (engl.: simian immunodeficiency virus) stellt ein wichtiges Tiermodell für die HIV-Infektion des Menschen dar. Die beiden Viren weisen eine ähnliche Genomstruktur auf. Bei SIV-Infektionen von Rhesusaffen verlaufen wesentliche Aspekte der Krankheitsentstehung und des Krankheitsverlaufs analog mit der HIV-Infektion des Menschen. Erforscht werden sowohl Impfstoffe als auch Methoden der Prophylaxe, die vor der HIV-Infektion schützen sollen.

Auch für die Untersuchung des Influenza-Virus (Grippe) sind Rhesusaffen wichtige Modelle. Bevor die Infektionsbiologen des DPZ Untersuchungen mit Rhesusaffen vornehmen, leisten sie vorbereitende Arbeiten beispielsweise mit Hilfe von Zellkulturen. Dazu gehört zum Beispiel die Identifizierung von Wirtszellenzymen, die für die Vermehrung von Influenzaviren wichtig sind. Deren Bedeutung für die virale Ausbreitung und die Krankheitsentstehung muss anschließend beispielsweise mit Hilfe der Affen geklärt werden.

Ein weiteres Virus, das mit Hilfe von Rhesusaffen untersucht wird, ist Herpes. Seit dem Jahr 2011 haben Wissenschaftler des DPZ verschiedene Aspekte der Infektion bearbeitet.

Auch Bakterien, die Menschen krank machen können, erforschen Wissenschaftler des DPZ mit Hilfe von Rhesusaffen. Ein solches Bakterium ist Helicobacter pylori. Es löst verschiedene Darmkrankheiten beim Menschen aus, darunter Magengeschwüre und Magenkrebs.

Neurowissenschaft

Das Foto zeigt eine Elektrode und ein Streichholz
Elektroden, wie sie Rhesusaffen am DPZ implantiert werden, im Größenvergleich mit einem Streichholzkopf. Foto: Stephan

Makaken sind zudem ideale Modellorganismen, um die neuro- und psychophysiologischen Grundlagen des zentralen Nervensystems zu untersuchen. Da ihre Gehirne und das visuelle System dem des Menschen sehr ähnlich sind, ist es möglich, mit Hilfe von Rhesusmakaken Erkenntnisse über Funktionsweisen des Gehirns zu gewinnen, die bei Menschen ähnlich angelegt sind.

Die Neurowissenschaftler des DPZ wenden dazu elektrophysiologische Techniken an und leiten unter anderem über Elektroden, die den Rhesusaffen ins Gehirn implantiert werden, die elektrischen Ströme ab, die einzelne Nervenzellen im Gehirn je nach der Aktivität des Tieres abgeben. Für die Implantation der haarfeinen Elektroden müssen die Rhesusaffen ein Mal unter Vollnarkose operiert werden. Die Elektroden im Gehirn spüren sie nicht, da dort keine Schmerzrezeptoren vorhanden sind. Für solche Untersuchungen werden nur extrem wenige Rhesusaffen benötigt, da man die Tiere jahrelang auf die Bewegungen trainieren muss, die sie für den Versuchsaufbau absolvieren sollen. Solche Tiere können auch durchaus wiederholt in verschiedenen Versuchen mitarbeiten.

Einerseits erforschen die Wissenschaftler des DPZ mit diesen Methoden Fragen der Aufmerksamkeit und Bewegungsplanung. Dabei wollen sie zum Beispiel wissen, wie das Gehirn die Aufmerksamkeit zwischen zahllosen Objekten, die im Sichtfeld liegen oder sich bewegen, auf ein einziges richten - zum Beispiel einen Fußball. Erkenntnisse, die aus diesen Fragen stammen, können in einem weiteren Forschungsfeld des DPZ angewendet werden: Der Entwicklung von Neuroprothesen. Diese Prothesen sollen beispielsweise Querschnittgelähmten helfen, Roboterarme zu steuern, indem sie einfach an die Bewegung der Prothese denken. Ein Decoder liest diese "Befehle" aus dem Gehirn aus und gibt sie an den Roboterarm weiter.

Ein weiterer neurowissenschaftlicher Forschungsbereich, in dem Rhesusaffen eingesetzt werden, ist die Magnetresonanztomografie (MRT). Die Abteilung Funktionelle Bildgebung am DPZ nutzt diese Methode, um Einblicke in die Struktur und Funktion des lebenden Organismus zu erhalten. Dabei wollen die Wissenschaftler die Methode weiterentwickeln und optimieren. Mit Hilfe der hochaufgelösten Bilder können verschiedene Krankheiten am Tiermodell untersucht und die Diagnostik beim Menschen verbessert werden. Dabei kommen Rhesusaffen aber auch kleinere Primatenarten wie Weißbüschelaffen und menschliche Probanden zum Einsatz. Die Bildgebungsverfahren sind nicht-invasiv. Das bedeutet, dass kein operativer Eingriff am Tier vorgenommen werden muss.

Weißbüschelaffe (Callithrix jacchus)

Das Foto zeigt einen Weißbüschelaffen.
Ein Weißbüschelaffe in einer Zuchteinheit am DPZ. Foto: Säckl

Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) sind die zweite Primatenart, die für viele Bereiche der Forschung am DPZ als wichtiges Modell zum Einsatz kommt. Diese Art aus der Familie der Krallenaffen (Callithrichidae) stammt aus Südamerika und lebt dort vor allem im nordöstlichen Brasilien. Die Art ist sehr anpassungsfähig und nicht vom Aussterben bedroht. Am DPZ leben 494 Weißbüschelaffen in Zuchtgruppen (31.12.2023).

Stammzellbiologie

Die Stammzellbiologen des DPZ setzen Weißbüschelaffen für ihre Forschung über embryonale und induzierte pluripotente Stammzellen ein. In Beachtung des 3R-Prinzips haben die Wissenschaftler dieser Abteilung Methoden zur nicht- oder minimalinvasiven Gewinnung von Präimplantationsembryonen entwickelt. In der Regel bedeutet dass, das die Stammzellbiologen zur Gewinnung der Embryonen die Gebärmutter der Affen ausspülen, so dass die Tiere nicht operiert werden müssen. Die regenerative Medizin mit Stammzellen könnte die Behandlungsansätze für schwere Erkrankungen wie etwa den Herzinfarkt oder Diabetes grundsätzlich erneuern: Wissenschaftler arbeiten daran, dass erkrankte oder fehlerhaft funktionierende Körperzellen durch Stammzellen ("Alleskönnerzellen") ersetzt werden können, die sich dann zur jeweils benötigten, gesunden "Spezialistenzelle" weiterenwickeln.

Außerdem erforschen die Wissenschaftler der Forschungsplattform Degenerative Erkrankungen die methodischen und reproduktionsbiologischen Grundlagen zur genetischen Modifikation von Weißbüschelaffen. Die genetisch veränderten Tiere tragen ein sogenanntes GFP-Gen (von Grün fluoreszierendes Protein). Im Moment sind dies Machbarkeitsstudien zur Einbringung und Vererbbarkeit eines Transgens in Primaten. Ferner können mit den GFP-transgenen Tieren in Folgestudien auch Arbeiten zur Embryonalentwicklung der Weißbüschelaffen und zur Machbarkeit von neuen Therapieformen, die auf die „Reparatur“ krankheitsverursachender Veränderungen der Erbinformation (DNA) in Körperzellen abzielen, durchgeführt werden. Am DPZ gibt es 29 transgene Weißbüschelaffen (30.06.2020). Die Tiere, die ein GFP-Gen tragen, haben keine erkennbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sind fruchtbar und äußerlich nicht von den „normalen“ Tieren zu unterscheiden.

Infektionspathologie

In der Abteilung Infektionspathologie sind Weißbüschelaffen derzeit vor allem für zwei Forschungsfelder im Einsatz. Auf der einen Seite handelt es sich um Forschung zu Orthopockeninfektionen. Aus der Gattung der Orthopocken stammen diejenigen Viren, die die menschliche Pockenerkrankung auslösen. Zwar gelten diese seit Ende der 70er Jahre als ausgerottet, aber ein Überspringen anderer Pockenvarianten vom Tier auf den Menschen ist nicht auszuschließen. In der Abteilung Infektionspathologie laufen daher Infektionsversuche mit einer Variante eines Kuhpockenvirus "Calpox", das von Mitarbeitern der Abteilung vor kurzem neu entdeckt wurde. Die Wissenschaftler wollen herausfinden ob sie Impfstoffe gegen Orthopocken weiterentwickeln können.

Ein weiteres Forschungsthema, an dem Wissenschaftler des DPZ arbeiten, sind die Atemwegserkrankungen. COPD ( engl.: chronic obstructive pulmonary disease) und Asthma. Die Infektionspathologen haben während dieser Forschung herausgefunden, dass Weißbüschelaffen ein für die Untersuchung dieser menschlichen Erkrankungen geeignetes Modell sind. Weißbüschelaffen können also dazu eingesetzt werden, Biopharmaka zur Therapie von COPD und Asthma zu entwickeln. Dabei haben die Wissenschaftler stufenweise zunächst Alternativmethoden verwendet (in vitro Ergebnisse = aus dem Reagenzglas sowie ex vivo Studien = Studien mit Gewebeproben), bis der Einsatz der lebenden Weißbüschelaffen notwendig wurde. Durch dieses Verfahren können die Tierzahlen für Versuche deutlich reduziert werden, so dass dem 3R-Prinzip Rechnung getragen wird.

Javaneraffe (Macaca fascicularis)

Das Foto zeigt Javaneraffen.
Javaneraffen im Freigehege am DPZ. Foto: Säckl

Die Javaneraffen oder Cynomolgen (Macaca fascicularis) kommen in der freien Natur in vielen Ländern Südostasiens von Thailand bis zu den Philippinen vor und sind sehr anpassungsfähig. Sie sind eng mit den Rhesusmakaken verwandt. Die Art ist nicht unmittelbar in ihrer Existenz bedroht.

Javaneraffen bilden nur eine kleine Population am DPZ. Derzeit existiert eine Zuchtgruppe mit 69 Tieren (31.12.2023), die von der Abteilung Kognitive Ethologie in vielfältigen Verhaltensstudien eingesetzt werden.

Allerdings werden die eng mit den Rhesusmakaken verwandten Affen insgesamt in Deutschland relativ häufig für Forschungszwecke eingesetzt, unter anderem auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsprüfungen für Arzneimittel. Solche Prüfungen finden aber nicht am DPZ statt.

In der Sektion Infektionsforschung wurden Javaneraffen zuletzt zum Beispiel für Untersuchungen über Prionen, konkret im Rahmen der Chronic Wasting Disease, eingesetzt. Chronic Wasting Disease ist eine Erkrankung bei Hirschen, die sehr der menschlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ähnelt.

Mantelpavian (Papio hamadryas)

Das Foto zeigt Mantelpaviane
Mantelpaviane im Freigehege am DPZ. Foto: Säckl

Mantelpaviane (Papio hamadryas) aus der Gattung der Paviane entstammen ebenfalls der Familie der Meerkatzenverwandten (Cercopithecidae). Sie leben im nordöstlichen Afrika sowie im Süden der arabischen Halbinsel und werden von der IUCN als gering gefährdete Art eingeschätzt. Am DPZ steht die Zuchtgruppe von 73 Pavianen (31.12.2023) hauptsächlich zur Verfügung, um den wissenschaftlichen Bedarf an diesen Tieren in Deutschland zu decken. An Pavianen werden Immunreaktionen bei Organtransplantationen untersucht. Das DPZ ist seit 2012 an dem DFG-gefördertem Verbundprojekt SFB Transregio 127 beteiligt, das sich der Forschung zur Xenotransplantation widmet. Unter Xenotransplantation versteht man die Verpflanzung von Zellen, Geweben oder Organen zwischen entwicklungsgeschichtlich weiter entfernten Arten, sowohl von Tier zu Tier als auch von Tier zu Mensch. Das DPZ arbeitet dabei eng mit dem Universitätsklinikum in München zusammen, wo vor allem Herz- und Herzgewebetransplantationen sowie Verpflanzungen der Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse vom Schwein erforscht werden. Schweineorgane und –gewebe sind gut geeignet, um menschliche Organe und Gewebe zu ersetzen, da sie sich anatomisch und physiologisch sehr ähnlich sind. Um zu überprüfen, ob die Organübertragungen sicher und effektiv sind, sind Versuche mit Pavianen notwendig. Das DPZ stellt die Empfängertiere für die schwierigen Transplantationen zur Verfügung und hilft auch, technisch einfachere Eingriffe mit Geweben – zum Beispiel den Insulin-produzierenden Bauchspeicheldrüsenzellen – durchzuführen. Auch die Nachsorge der Tiere nach der OP, die nicht einfach ist, findet im DPZ statt.

Generell werden Paviane auch als Modellorganismus verwendet, um die neurophysiologischen Grundlagen für die Entstehung von Epilepsie und Schizophrenie zu erforschen. Außerdem werden Therapien für Herz-Kreislauferkrankungen mit Hilfe dieses Tiermodells entwickelt. Solche Forschungsprojekte werden jedoch nicht am DPZ durchgeführt.

Primatenbestand

Anzahl der unterschiedlichen Primatenarten am DPZ zum Stichtag 31.12.2023. Grafik: Bobbie Smith/Jana Wilken
Anzahl der unterschiedlichen Primatenarten am DPZ zum Stichtag 31.12.2023. Grafik: Bobbie Smith/Jana Wilken
Das Bild zeigt Uwe Schönmann
Das Startbild des virtuellen Rundgangs mit Uwe Schönmann. Screenshot: Sylvia Ranneberg

Der interaktive Rundgang führt die Besucher durch die Haltungs- und Zuchtbereiche des DPZ und hält viele wichtige Informationen zu Affenarten, Hygienevorschriften und der täglichen Arbeit von Tierärzten, -pflegern und Wissenschaftlern bereit.

Zum Rundgang

Das Bild zeigt ein Buchcover
Die Titelseite des iBooks. Bild: Christian Kiel / UAR

Das neue, kostenlose iBook "Primates in Medical Research" aus dem englischen Sprachraum informiert umfassend in vielen medialen Formaten über medizinische Forschung mit nicht-menschlichen Primaten. Dr. Moshe Bushmitz, Tierarzt und Forscher, der unter anderem an Javaneraffen über Arthritis geforscht hat, hat das Buch gemeinsam mit den Experten von Understanding Animal Research verfasst und veröffentlicht.

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